Fazit: Schreib-Kurs Reisen

Die Literatur zu den Menschen bringen – das ist eines der Hauptanliegen unserer Arbeit. Zum wiederholten Male entwarfen wir deshalb einen autobiografischen Schreib-Kurs für erwachsene Menschen mit Behinderungen in Kooperation mit Caritas-Wohnen Hildesheim.

In unserem wettbewerbsbegleitenden Workshop zum Thema „Reisen“ wollten wir verschüttete positive Erinnerungen und Emotionen freilegen und den Menschen helfen eine Ausdrucksmöglichkeit für Erlebtes zu finden.

Zum ersten Mal beschlossen wir, den Schreib-Kurs nicht nur an Bewohnende des Johannishofes in der Nordstadt zu richten, sondern auch Bewohnende aus anderen Wohneinrichtungen des Caritas-Wohnen Hildesheim einzuladen. Zudem verlegten wir den Workshop in den Treffpunkt Mensch in Himmelsthür.

Vom 03. September bis zum 15. Oktober 2024 trafen wir dort alle 14 Tage von 16:30 – 18:00 Uhr unsere 12 Teilnehmenden. Die Jüngste von ihnen war 29 Jahre und der Älteste 65 Jahre alt. Nur zwei Teilnehmende hatten bereits an einem Schreib-Kurs teilgenommen, die anderen Teilnehmenden kamen neu hinzu. Die Ausdrucksweisen der Teilnehmenden unterschieden sich deutlich. Während einige gerne und viel in ganzen Sätzen sprachen, waren andere Teilnehmende eher wortkarg und antworteten auf Fragen nur mit wenigen Worten oder manchmal gar nicht.

Ein Teilnehmer schreibt einen Text auf seinem Computer.

Wir begannen den Schreib-Kurs am 03. September mit einer Einführung in das vor uns liegende Thema. Eike Bredemeyer und ich stellten einen Koffer mit themenbezogenen Gegenständen bereit. Darunter waren unter anderem: 

  • Sonnenhut
  • Sonnencreme
  • Modellauto, Papierflieger und Spielzeugboot
  • Fächer
  • Fotokamera

Um uns kennenzulernen und erste Assoziationen zum Thema hervorzurufen, baten wir die Teilnehmenden einen Gegenstand auszusuchen. Dann begannen wir eine Runde, in der jede Person seinen oder ihren Namen sagen und den ausgewählten Gegenstand vorstellen konnte. Warum hatte die Person den Gegenstand ausgesucht? Woran denkt die Person, wenn sie diesen Gegenstand in der Hand hält?

Um mehr über die bisherigen Ausdrucksmöglichkeiten der Teilnehmenden herauszufinden, ließen wir nach der Vorstellungsrunde Zeit zum „offenen  Schreiben“. Einige der Teilnehmenden malten Bilder zu den Gegenständen, andere schrieben frei einen Text zum Thema „Urlaub“, wieder andere erzählten uns, was sie schreiben wollten, sodass wir ihnen die Sätze vorschreiben konnten, die sie dann eigenhändig abschrieben. So konnten wir uns in den kommenden Stunden besser auf die Fähigkeiten der Teilnehmenden einstellen.

Workshopleitung Eike Bredemeyer zeigt etwas am Plipchart-Papier.

In der zweiten Stunde vertieften wir das Thema Reisen inhaltlich weiter mit der sogenannten Starbusting-Methode. In dieser Methode wird auf einem Flipchart-Papier ein Stern gezeichnet und an jede Zacke des Sterns wird eines der folgenden Fragewörter geschrieben:

  • Wer?
  • Was?
  • Wann?
  • Wo?
  • Warum?
  • Wie?

Zu den verschiedenen Fragewörtern sammelten wir dann gemeinschaftlich Begriffe in Bezug auf das Thema Reisen: Wer (mit wem) bin ich in der Vergangenheit gereist? Was habe ich im Urlaub gemacht? Wann bin ich schon einmal gereist? Wohin ging die Reise? Warum verreise ich gerne? Wie bin ich zum Urlaubsort gekommen?

Im Anschluss sollten kleine Reisegeschichten entstehen, in denen jede dieser Fragen einmal beantwortet wird. Mit einem Arbeitsblatt halfen wir den Teilnehmenden ihre Urlaubserinnerungen in ganzen Sätzen aufzuschreiben. Wer wollte, konnte den fertigen Text vortragen. 

Zuletzt nahmen wir uns vor, mit den Teilnehmenden zusammen eine Fantasiereise zu schreiben. Um in das Thema einzuführen, las ich eine Fantasiereise vor, die uns an den Strand führte. Eike Bredemeyer unterstützte die Geschichte und versetzte die Teilnehmenden mit allen Sinnen an den Reise-Ort. Bredemeyer spielte Wellengeräusche ab und reichte ein Glas mit Sand und Muscheln herum. Dann begannen wir eine Fantasiereise zusammen zu schreiben. Wir einigten uns zuerst auf die Gegend, an die die Teilnehmenden reisen wollten. Die Nord- und die Ostsee waren dabei beliebte Reiseziele.

Dann durfte jede:r der Teilnehmenden einen Satz zu der Geschichte hinzufügen. Eike Bredemeyer und ich unterstützten die Teilnehmenden, indem wir spezifische Fragen zum Urlaub stellten: Wie riecht es dort? Was kannst du hören? Wie ist das Wetter? Da nicht alle eigenständig schreiben können, übernahmen wir das Notieren der ausgesprochenen Sätze. Nach zwei Runden ergab sich eine tolle Fantasiereise, die wir zum Schluss noch einmal vorlasen.

Es war ein verregneter Tag. 

Wegen dem Regen habe ich meine gelbe Regenjacke dabei. 

Der Regen wird weniger und es folgt ein Regenbogen. 

Es scheint die Sonne. 

Ich höre das Meeresrauschen. 

Die Vögel zwitschern. 

Ein Tretboot schwimmt auf dem Meer. 

Ich schwimme im Meer. 

Danach mache ich einen großen Strandspaziergang. 

Dann fliege ich von der Nordsee zur Ostsee. 

Dort sammle ich Muscheln. 

In der Ostsee gehe ich nochmal schwimmen. 

Nach dem Schwimmen gehe ich aus dem Wasser und trockne mich ab. 

Dann ziehe ich mich wieder an. 

Nachdem ich mich angezogen habe, gehe ich zurück ins Hotel. 

Im Hotel lege ich mich ins Bett und schlafe. 

Daraufhin mache ich eine Stadtbesichtigung.

Fazit 

Das Thema Reisen kam bei den Teilnehmenden des Schreibkurses sehr gut an. Gerne erzählten sie von den Reisen, die sie in ihrer Vergangenheit bereits unternommen hatten. Einige brachten Fotos mit und zeigten diese stolz der Gruppe. 

Ein besonderer Erfolg war, dass wir für diesen Schreib-Kurs viele Menschen begrüßen durften, die noch nie an einem Schreib-Kurs teilgenommen hatten. Das einrichtungsübergreifende Angebot war für alle eine Bereicherung. Viele der Teilnehmenden erschienen nicht nur einmalig, sondern immer wieder zum Kurs. Diese Kontinuität ist ein gutes Zeichen. Einige der Teilnehmenden waren traurig, dass der Kurs bereits vorbei war und fragten, wann der nächste Kurs beginnt.

Wir hoffen, unsere Arbeit im nächsten Jahr fortsetzen zu können.

Konzeption und Durchführung: Eike Bredemeyer und Rachel Bleiber